Elbphilharmonie, Stuttgart 21 und der Berliner Flughafen BER: es sind Großprojekte, die ewig dauern, bis sie realisiert werden – und dann erheblich teurer sind als anfangs geplant. Dabei ist das Projektmanagement in Deutschland eigentlich ein Exportschlager, der als Erfolgsmodell gilt, wie die Tiba Business School 2014 in einer Studie herausfand. Wie kommt diese Diskrepanz zustande?
Branchenübergreifend: Explodierende Kosten und lange Fertigstellung
324 Prozent – so viel teurer war der Bau der Hamburger Elbphilharmonie. Bei seiner Planung 2005 rechneten man mit Kosten von 186 Millionen Euro. Am Ende waren es 789 Millionen Euro, von der Zeitverzögerung haben wir da noch gar nicht gesprochen. Und das ist kein Einzelfall. Immer wieder gibt es in Deutschland Großprojekte, deren Kosten explodieren und deren Eröffnungstermine sich verschieben.
In einer Studie hat die Hertie School of Governance die Kostensteigerung und Zeitverzögerung bei 170 Großprojekten in Deutschland seit 1960 untersucht. Das Ergebnis: Im Schnitt erhöhen sich die Kosten um 73 Prozent. Da können Stuttgart 21, Elbphilharmonie oder der BER nur müde lächeln. Deren Kostenerhöhung bewegt sich im dreistelligen Prozentbereich.
Projektmanagement gilt als Erfolgsmodell
All das steht im Gegensatz zum Stellenwert des Projektmanagements in Deutschland. Experten gehen davon aus, dass die Projektwirtschaft 2020 bereits 15 Prozent am gesamten Bruttoinlandsprodukt ausmachen wird. Der Anteil der Projekttätigkeit an der Gesamtarbeitszeit lag 2013 schon bei knapp 35 Prozent, wobei Top-Manager die Hälfte ihrer Arbeitszeit mit dem Managen von Projekten beschäftigt sind. Außerdem gibt es unzählige Zertifizierungen, Schulungen und Weiterbildung auf dem Feld des Projektmanagements. Projektmanagement durchdringt alle Bereiche der Wirtschaft.
Diese Diskrepanz führt zu der Frage, wie Großprojekte im beschriebenen Umfang aus dem Ruder laufen können. Dafür gibt es unterschiedliche Gründe:
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Die Planer sind zu optimistisch und missachten Risiken
Psychologisch passiert beim Planen solcher Projekte oft etwas Paradoxes: Die Projektmanager sind zu optimistisch. Sie schätzen Kosten und Nutzen falsch ein und die Realisierung beginnt trotz unvollständiger Planung. Auch die Planung ausreichender Puffer fehlt oft. Außerdem fehlt in den meisten Fällen eine detaillierte Betrachtung der Projektrisiken und ihre Bewertung (Budget, Zeit, Ressourcen).
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Der Fluch des Megaprojekts
Der Ökonom Bent Flyvbjerg hat sich auf die Analyse von Großprojekten spezialisiert. Er glaubt, dass alleine die Tatsache, dass es ein Großprojekt gibt, zu dessen Scheitern führt. Dabei spielen so genannte kognitive Verzerrungen eine Rolle. Das bedeutet: Wenn man sich etwas besonders stark wünschst, dann stuft man den Nutzen als besonders hoch ein und die Kosten als niedrig. Wenn sich ein Projektmanager (oder Politiker) mit einem großen Vorhaben ein Denkmal setzen will, denkt er wirtschaftlich nicht mehr vernünftig.
Der dänische Wissenschaftlicher hat hierzu eine provokante Erklärung. Er glaubt, dass die Manager eines Bauprojekts bewusst falsche Angaben machen – aus strategischen Gründen. Denn: Wer das günstigste Modell anbietet, der bekommt oft den Zuschlag. Wohlwissend, dass die Kosten im Nachhinein explodieren. Das heißt, Projektmanager lügen deshalb, weil ihr Projekt im Wettbewerb um knappe finanzielle Mittel überhaupt nicht beachtet würde. Das führt zu einem Anreiz für die Planer, den potentiellen Nutzen des Bauvorhabens zu sehr zu betonen, wobei sie gleichzeitig die Kosten herunterrechnen. Politiker lassen sich indes auf dieses Spiel ein, denn geringe Kosten machen sich zunächst einmal gut im Haushalt und lassen sich vor allem gegenüber der Öffentlichkeit und den Medien viel besser verkaufen.
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Viele Räder greifen ineinander
Schließlich ziehen sich solche Projekte oftmals über Jahre hin, was die Wahrscheinlichkeit steigert, dass etwas nicht Geplantes passiert. Viele Rädchen müssen ineinandergreifen. Ein Dienstleister reibungslos an den nächsten übergeben. Abnahmen müssen glatt über die Bühne gehen. Zudem sind Menschen mit unterschiedlichen Interessen und Fähigkeiten beteiligt, was die Fehleranzahl erhöht. Und: die angewandte Technik ist oft speziell auf das Projekt zugeschnitten, sodass kleine Fehler direkt schwerwiegende Folgen nach sich ziehen.
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Der politisch-ökonomische Druck
Wollen Verantwortliche sich ein Denkmal setzen, dann haben es die Ausführenden oftmals schwer, unrealistischen Anforderungen gerecht zu werden. Bei Projekten ab einer bestimmten Größenordnung sind die politische Beeinflussung und parlamentarische Befassung hoch. Die Vorhaben sind an andere Projekte und Behörden und deren Verlauf bzw. Entscheidungen gekoppelt. Risiken ergeben sich hier aus Wahlen oder neuen Gesetzen.
Großprojekte besser planen
Ein wichtiger Faktor wird bei der Planung von Projekten oft vergessen oder vernachlässigt. Und je größer ein Vorhaben ist, desto komplexer ist dieser Faktor. Die Rede ist vom Risikomanagement. Eine sehr effektive Methode ist es, alle Projektrisiken gemäß allgemein anerkannter und bewährter Methoden zu identifizieren, zu bewerten und zu dokumentieren. Der „Trick“ ist nun, die monetär bewerteten gemäß ihrer Eintrittswahrscheinlichkeit mit in das Projektbudget aufzunehmen. Somit sind Risiken eingepreist und es kann keine böse Überraschung im Nachhinein geben. Die Frage ist, ob sich das bei Großprojekten mit hoher politischer Aufmerksamkeit und Sensibilität in der Bevölkerung durchsetzen lässt. Aber machen Sie es auf jeden Fall in Ihren nächsten Projekten
Großprojekte sind einer Vielzahl von Risiken unterworfen, die sich auf unterschiedlichen Ebenen abspielen. Umsichtiges Projektmanagement kann – muss aber nicht – dazu beitragen, dass Großprojekte in der Zukunft nicht vollends aus dem Ruder laufen. Dazu braucht es aber die Aufrichtigkeit aller involvierter Akteure, die ihre persönlichen Interessen außen vorlassen. Ansonsten kann auch das beste Projektmanagement nichts ausrichten.
Leider liegen die Einschätzungen ziemlich daneben. Die Thesen zu Bauprojekten stimmen für die öffentliche Hand. Redet mit Leuten, die große Projekte erfolgreich gemanaget haben. Der Schlüssel liegt in Selbstorganisation der Subprojekte, unverhandelbare Endtermine, und kurzen Zyklen der Abstimmung. Was weit unterschätzt wird ist die Kommunikation.