Gibt es im agilen Projektmanagement eigentlich Normen und Standards? Wie sehen diese aus? Erfahren Sie es im neuen Blogbeitrag von #intelliExperts.


Das agile Umfeld

Agilität ist eine Denkweise, die auf Werten und Prinzipien basiert. Auf Grundlage dieser spezifischen Werte und Prinzipien können heute Unternehmen umstrukturiert und Arbeitsmethoden entwickelt werden.

Agilität ist die besondere Fähigkeit einer Organisation (z. B. Unternehmen oder Projektteams), sich auf Veränderungen einzustellen und zielführend zu agieren.

Diese Fähigkeit ist in folgende beiden Kategorien eingeteilt:

  1. die notwendige Grundhaltung und
  2. die resultierende Arbeitsweise.

 (https://www.wertesysteme.de/agilität/)

Siehe hierzu auch unser Blogbeitrag: Agilität vs. agile Methoden: Vieles wird immer noch falsch verstanden – Eine Erklärung

Was ist agiles Projektmanagement?

Agiles Projektmanagement ist ein relativ junges Instrument, um schnell und flexibel auf mögliche Störungen im Projektablauf zu reagieren. In kurzen Planungszyklen (Sprints) werden Rückmeldungen und Probleme beim Erreichen von Zielen abgestimmt und die Ergebnisse der Abstimmung in die weitere Projektplanung integriert. Die intensive Zusammenarbeit und regelmäßiger Austausch in kurzen Meetings (Daily Standup) fördern den Teamgeist und wirken wertschöpfend.

Ursprünglich stammt der agile Grundgedanke aus der Softwareentwicklung. Die im Agilen Manifest festgelegten Prinzipien sind im Wesentlichen:

  • Teammitglieder und deren regelmäßiger Austausch sind wichtiger als Prozesse.
  • Reibungslose Abläufe sind wichtiger als eine (zu) umfassende Dokumentation.
  • Integration und Zusammenarbeit mit den Kunden sind wichtiger als Verträge.
  • Reaktion auf Veränderungen und Störungen ist wichtiger als strikte Pläne.

Das Wichtigste ist der tägliche Austausch. Darin liegt zugleich auch eines der Erfolgsgeheimnisse agilen Projektmanagements. Denn bei kurzen Standup-Meetings kann der Projektmanager schnell erkennen, wo es hakt, und direkt gegensteuern.

Kennzeichnend sind die Methoden Scrum und Kanban, die die einzelnen Projektphasen verkürzen.

Mehr hierzu unter: Agiles Projektmanagement – Scrum und Kanban

Normen und Standards im agilen Umfeld

In aktuellen Fassungen einiger der Standards, die man bereits für das traditionelle Projektmanagement findet, wird inzwischen auch der Versuch unternommen, agile Grundsätze einzubinden. Dies gelingt nicht immer widerspruchsfrei. Die Standardisierungsbemühungen im agilen Projektmanagement sind grundsätzlich kritisch zu betrachten, wenn abzusehen ist, dass sie dazu führen, dass

  • erschwerende Hierarchien aufgebaut werden,
  • nicht schnell genug auf Veränderungen reagiert wird und
  • Prozesse über Teammitglieder und deren Austausch gestellt werden.

In der DIN-Reihe tauchen weder der Begriff des agilen Projektmanagements noch konkrete Vorgehensmodelle auf. Agile oder hybride Kompetenzen werden nicht oder nur am Rande geprüft. Die DIN-Reihe repräsentiert daher eher die traditionelle Sicht des Projektmanagements.

Ein wichtiges Dokument, das als Scrum-Standard bezeichnet werden kann, ist der „Scrum Guide“ von Ken Schwaber und Jeff Sutherland, der kostenlos in vielen Sprachen über die Seite www.scrumguides.org bezogen werden kann. Im „2020 Scrum Guide“ findet man die wichtigsten Begriffe, Rollen und Aufgaben erläutert (https://www.scrumguides.org/scrum-guide.html).

Zertifizierung durch die Gesellschaft für Projektmanagement

Um auch in diesem Bereich von offizieller Seite aus etwas anbieten zu können, hat in Deutschland die Gesellschaft für Projektmanagement (GPM) das Zusatzzertifikat „hybrid+“ geschaffen. In diesem Zusatzzertifikat bilden agiles und hybrides Projektmanagement den Schwerpunkt.

Da die GPM eine unabhängige Prüfungsinstanz ist, werden hier keine DIN-Nummerierungen vergeben, wie in unserem vorherigen Artikel zu den Normen im traditionellen Projektmanagement dargestellt. Im Folgenden sehen Sie die im Programm zum Zertifikat „hybrid+“ aufgeführten Schwerpunkte:

BereicheThemenLiteraturgrundlage
Grundlagen von Agilität und
Komplexität
Was ist Komplexität? Was ist Agilität?
Komplexitätsmodelle und Projektypen:
Cynefin, Stacey, Diamantmodell
Oswald (2016)
Grundlagen des agilen
Mindsets: Werte, Prinzipien
und Grundannahmen
Agiles Manifest, Agile Prinzipien,
menschliche Grundbedürfnisse und Agilität
Pröpper (2012),
Foegen (2016)
Agile TechnikenDaily, Sprint, Sprint Backlog, Product
Backlog, usw., Grundlagen der Techniken
wie Time-Boxing, Inkrement, Iteration,
Selbstorganisation
Rubin (2013),
Pröpper (2012),
Foegen (2016)
Grundlagen der
Selbstorganisation
Was ist Selbstorganisation?
Rahmenparameter, Kontrollparameter (u.a.
WIP), Ordnungsparameter
Oswald (2016)
Agile HandlungsrahmenScrum, Kanban, SAFe, LeSS, eXtreme
Programming: Rollen, Events, Artefakte
Schwaber (2016),
Rubin (2013),
Foegen (2016)
Lernen in einem komplexen
Umfeld
PDCA, Empirie und KomplexitätOswald (2016),
Foegen (2016)
Grundlagen agilen FührensSelbstreflexion, Manage das System und
nicht die Menschen, System Thinking
(Denken in Systemen), Meta-Kompetenz
Oswald (2016)
Quelle:
(https://www.gpm-ipma.de/zertifizierung/projektmanager/zusatzzertifikat_hybrid_gpm.html)

Weitere Zertifizierungsanbieter

Die folgenden Anbieter haben sich unabhängig von der GPM im internationalen Raum mit agilen Methoden im Projektmanagementumfeld auseinandergesetzt und Normen und Standards entwickelt.

Scrum Alliance

Seit 2001 unterstützt die Scrum Alliance die agile Bewegung als einzige mitgliedergeführte, gemeinnützige Zertifizierungsstelle im agilen Bereich. Die Zertifizierungsstelle hat das Ziel, die agile Bewegung durch Bildung, Fürsprache, Forschung, Gemeinschaft und Verbindung zu fördern.

Von der Scrum Alliance wurden drei Zertifizierungsstufen etabliert, die stufenweise erweiterbar sind:

■ Certified Scrum Master,

■ Certified Scrum Product Owner und

■ Certified Scrum Developer.

Durch den Zertifizierungsprozess wird das Scrum-Framework vermittelt und man gewinnt ein Verständnis für Teamrollen, Ereignisse und Artefakte. Als Experte für die Werte, Prinzipien und Praktiken von Scrum schützt der ScrumMaster das Team vor internen und externen Ablenkungen.

Während der Scrum Master dem Scrum-Team hilft, gemeinsam Scrum zu lernen und zu implementieren, erstellt man als Product Owner die Produktvision, ordnet das Product Backlog und sorgt dafür, dass die bestmögliche Arbeit geleistet wird, um den Kunden zu begeistern. Certified Scrum Developer weisen durch eine Kombination aus formalem Training und einer Bewertung der technischen Fähigkeiten nach, dass sie ein funktionierendes Verständnis von Scrum und agilen Prinzipien haben. Der Certified Scrum Developer-Kurs richtet sich an Softwareentwickler (Programmierer), die Software in einer Scrum-Umgebung erstellen. Das Ziel ist es, die Teilnehmer mit den wichtigsten Werkzeugen und Techniken vertraut zu machen, die benötigt werden, um gute Software in der iterativen und inkrementellen Art und Weise zu erstellen, die Scrum erfordert. Diese Ideen sind zentral für den gesamten Bereich der agilen Softwareentwicklung.

(https://www.scrumalliance.org/get-certified)

Scrum.org

Scrum.org wurde 2009 von Ken Schwaber gegründet, einem der Autoren des Agilen Manifests, , um der Weiterentwicklung von Scrum eine organisatorische Plattform zu geben.

Scrum.org bietet mehrere Zertifizierungen an.

Zu den bereits bei der Scrum Alliance erwähnten Rollen Master, Product Owner und Developer kommen nun noch drei hinzu:

  • Professional Scrum with Kanban,
  • Professional Agile Leadership und
  • Scaled Professional Scrum.

Scrum ist ein Rahmenwerk, in dem man Praktiken hinzufügt, die für das Scrum-Team oder die Organisation sinnvoll sind, um den Gesamtprozess aufzubauen und zu definieren. Kanban kann verwendet werden, um diesen Gesamtprozess zu erweitern und die Arbeitsweise des Scrum-Teams zu verbessern. Dafür wurde das Zertifikat Scrum with Kanban entwickelt.

Agile Leadership ist eine Zertifizierung für Führungskräfte, die verstehen wollen, dass Agilität einen Mehrwert für das Unternehmen darstellt und warum das Verständnis, die Förderung und die Unterstützung von agilen Praktiken durch Führungskräfte essentiell sind, damit eine Organisation agiler wird.

Das Zertifikat Scaled Professional Scrum lehrt das Verständnis, wie skalierte Software- und Produktentwicklung mit Nexus handhabbar sind. Außerdem werden die entsprechenden agilen Praktiken und Skalierungsgrundlagen vermittelt, die auf mehrere zusammenarbeitende Scrum-Teams anwendbar sind,.

Nexus baut auf Scrum auf. Es erweitert das Scrum-Framework nur dort minimal, wo es absolut notwendig ist, um es mehreren Teams zu ermöglichen, von einem einzigen Product Backlog aus zu arbeiten. Ein Nexus ist eine Gruppe von etwa drei bis neun Scrum-Teams, die zusammenarbeiten, um ein einziges Produkt zu liefern; er ist eine Verbindung zwischen Menschen und Dingen.

Axelos

Praxisberichte zeigen, dass sich die Standards von PRINCE2 gut mit agilen Vorgehensmodellen wie beispielsweise Scrum kombinieren lassen. Axelos bietet mittlerweile eine Zertifizierung PRINCE2 Agile Examination an. Diese setzt eine erfolgreiche PRINCE2 Foundation und PRINCE2 Practitioner Examination voraus. Die agile Ergänzung versetzt Absolventen in die Lage, PRINCE2 in agilen Umgebungen wie Scrum und Kanban einzusetzen.

Die Zertifizierung PRINCE2 Agile Practitioner wurde als Reaktion auf die Nachfrage der Anwender entwickelt und lehrt Sie, Struktur, Governance und Kontrolle mit agilen Methoden, Techniken und Ansätzen zu verbinden. Diese Zertifizierung richtet sich an Fachleute, die in einer Projektumgebung arbeiten, einschließlich Mitarbeiter in Schlüsselpositionen, die mit der Integration des Projektmanagements in die Produktlieferung befasst sind. Ein Verständnis der agilen Konzepte, die in PRINCE2 Agile detailliert beschrieben sind, wird auch für diejenigen von Vorteil sein, die Governance-Verantwortung für Projekte mit agilen Lieferansätzen haben, sowie für diejenigen, die mit Programm- und Projektunterstützungsfunktionen befasst sind.

Project Management Institute

Das Project Management Institute (PMI), bisher eher für seine Zertifizierung Project Management Professional bekannt, bietet seit geraumer Zeit die Zertifizierung PMI Agile Certified Practitioner (PMI-ACP)  an.

Der PMI-ACP wurde entwickelt, um Projektmanagement-Praktikern dabei zu helfen, die Herausforderungen global verteilter Teams, sich ändernder Anforderungen und der Notwendigkeit schneller Reaktionen zu meistern.

Die Zertifizierung richtet sich an Personen, die Erfahrung in der Führung oder Mitarbeit in agilen Projektteams haben und über Kenntnisse einer Vielzahl von agilen Ansätzen verfügen.

Das Project Management Institute (PMI), bisher eher für seine Zertifizierung Project Management Professional bekannt, bietet seit geraumer Zeit die Zertifizierung PMI Agile Certified Practitioner (PMI-ACP)  an.

Fazit

Während im traditionellen Projektmanagement eine Vielzahl an ISO- und DIN-Normen vorliegen, befindet sich das agile Projektmanagement hier noch in der Entwicklungsphase. Diese Phase wird vor allem durch mehrere Anbieter bestimmt, die sich weniger auf eine einheitliche Norm, sondern über Zertifizierungen auf die Aus- und Weiterbildung ihrer Kunden spezialisieren.

Gleichzeitig muss betont werden, dass es eine Richtlinie gibt: Die Scrum Guidelines. Mit den Guidelines werden zwar Handlungsmöglichkeiten vorgegeben, ohne jedoch zu rigoros den Handlungsspielraum einzuschränken.

Vielleicht liegt ist es gerade im Wesen agiler Mentalitäten und Methoden, dass eine Standardisierung ihrem enormen Spielraum nur abträglich wäre. Fakt ist jedoch, dass die Unternehmensstrukturen in den letzten Jahren einem zunehmenden Trend der Agilisierung folgen. Warum dies auch problematisch sein kann, darüber haben wir mit Falk Janotta gesprochen und hier in einem „agilen Sprint“ mal kurz beleuchtet.

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